Franziska Klün

Ausgeruhtes Design

Lufthansa Exclusive: Wenn Schlafzimmer zum Showroom werden, könnte das am Bettenhersteller Schramm liegen: „Calm“ heißt das neue Produkt des Hauses von Design-Shootingstar Sebastian Herkner

Zwischen blühenden Rapsfeldern und sattgrünen Wiesen, fernab der Frankfurter Skyline, in einer kleinen Gemeinde namens Winnweiler, widmet man sich der letzten heimischen Tabuzone der Deutschen. Hier sitzt Schramm, Hersteller aufwendig gefertigter Betten und Matratzen, Familienunternehmen, deutscher Mittelstand. Angela und Axel Schramm führen es in dritter Generation. Sie wissen: Das Schlafzimmer mitsamt Bett und Matratze hat ein kleines Imageproblem. Den Rest der eigenen Wohnung präsentiert man ja gern, aber das Schlafzimmer? Da bleibt die Tür lieber zu. „Beim Thema Matratzen denken die meisten an Pflegebetten, Sanitätshäuser und Billigdiscounter, aber weniger an Luxusprodukte“, sagt Angela Schramm.

Doch genau das machen sie hier, Luxusprodukte, seit 1923 schon. In seiner Polsterei und Sattlerei fertigte Axel Schramms Großvater von Anfang an auch hochwertige Taschenfederkernmatratzen. Als Sattler kannte er sich mit der Muskulatur von Pferden aus – dieses Wissen übertrug er auf Matratzen, die sich perfekt an den menschlichen Körper schmiegen. In den fast 100 Jahren Unternehmensgeschichte hat sich das Leben der Kunden verändert. „Im Durchschnitt schlafen wir immer weniger“, weiß Sebastian Herkner. Der erst 35 Jahre junge Überflieger der deutschen Designszene, dem 2009 mit dem Beistelltisch „Bell Table“ der Durchbruch gelang und der seitdem einen Preis nach dem anderen einsammelt, hat den jüngsten Neuzugang im Bettenportfolio von Schramm gestaltet: „Calm“, zu Deutsch: Ruhe. Welchen Ansprüchen muss ein Bett heute gerecht werden? „Durch Laptops, Smartphones und Tablets hat sich die Funktion eines Betts in den letzten Jahren radikal gewandelt“, sagt er. „Wir erledigen immer mehr im Bett. Hier wird gearbeitet, die nächste Reise geplant, die Lieblingsserie geguckt. Das Bett wird zunehmend zum Zentrum des Wohnens.“ Umso paradoxer findet er, wie wenig Beachtung das Produkt unter Designerkollegen, aber auch Konsumenten findet: „MatratzenDiscounter gibt es wie Drogeriemärkte an jeder Ecke, hier hat sich die Geiz-ist-geil-Mentalität noch mal ins Extreme gesteigert.“ Auch wenn man mehr als ein Drittel seines Lebens in seinem Bett verbringt: „Es ist kein klassisches Prestigeprodukt, in ein Sofa investiert man eher, das ist ja zum Vorzeigen“, sagt Herkner.

Doch die Zeichen stehen gut, dass sich das Bett auf die große Wohn-Bühne wagt. Trendforscher behaupten, nach gesunder Ernährung, Entspannung und Yoga wird eine schicke Ausstattung für die nächtliche Bettruhe das nächste große Ding. Stiftung Warentest vermeldete, dass allein der Fernseher den Deutschen 2015 ähnlich viel Geld wert war. Und es gibt Start-ups, die die Matratze mit raffinierten Marketingstrategien aus der Discounter-Nische befreien wollen. Da kommt Herkners Entwurf genau richtig. Preislich ist das Bett inklusive Matratze ab 3000 Euro zu haben. Für Schramms Verhältnisse, wo manche Betten das Zehnfache kosten, ein Schnäppchen. Sein überdimensional ausfallendes, an den Enden gebogenes Rückenteil ist eine Hommage an den Ohrensessel. „Es verleiht ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit“, sagt Herkner. Und es ist nichts zum Verstecken – durch seine Größe wird „Calm“ sofort zum Mittelpunkt eines jeden Raums. Ein Hingucker eben. Etwas zum Vorzeigen.

Juli 2016 | Lufthansa Exclusive