Franziska Klün

Die voll korrekte Hose

September 2012 | Zeit Online: Ob maßgeschneidert in Wien, recycelt in Schweden oder komplett gefertigt in Italien: Der „Good Jeans Guide“ hilft, fair und umweltschonend produzierte Jeans zu finden.

Weniger als fünf Prozent. Höher sei der Anteil der Konsumenten, die sich vor dem Kauf einer neuen Jeans über deren Herstellung informieren, nicht, schätzt Mark Starmanns. Der 38-Jährige forscht und lehrt an der Universität Zürich zu Produktionsketten in der Modeindustrie und ist Mitbetreiber des Online-Portals Netzwerkfairemode.com. Die Seite will Konsumenten dabei helfen, ökologisch und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellte Mode zu finden. „Noch bedienen wir mit dem Portal eine Nische“, sagt Starmanns. Doch zuletzt steigt das Interesse in regelmäßigen Abständen sprunghaft an.

Immer dann nämlich, wenn es Journalisten gelingt, Zugang zu Kleiderfabriken in China, El Salvador oder Bangladesch zu bekommen und aus erster Hand über Löhne und Arbeitsbedingungen zu berichten. In der vergangen Woche erschien in der Wirtschaftswoche eine Reportage über die Zustände in den Fabriken von Dhaka, in denen auch deutsche Firmen produzieren lassen – unter anderem Jeans. Die ARD strahlte im März die 45-minütige Dokumentation Der Preis der Blue-Jeans aus. Der Film zeigt, in welcher Armut die Arbeiter im chinesischen Xintang leben, wo ein Großteil der weltweiten Jeansproduktion stattfindet.

Wer solche Enthüllungsberichte liest und sieht, sucht hinterher oft im Internet nach Alternativen. „Sobald eine kritische Dokumentation zur Textilproduktion ausgestrahlt wird, vervielfachen sich die Klickzahlen unseres Portals“, sagt Starmanns. Bei Jeans ist der Informationsbedarf besonders hoch. Bislang, so Starmanns, gäbe es weltweit gerade einmal 20 bis 30 Jeanshersteller, die strenge Umwelt- und Produktionsrichtlinien einhalten. Eine verschwindend geringe Zahl, der zigtausend herkömmliche Anbieter der Massenware Jeans gegenüberstehen. Deswegen stellt Starmanns auf Netzwerkfairemode Anbieter, die großen Wert auf Nachhaltigkeit legen, in einem Good Jeans Guide vor, der gerade um sieben Hersteller erweitert wurde.

Insgesamt führt der Guide nun 15 Marken, darunter bekannte Namen wie Hess Natur, Kuyichi und den Röhrenjeanspionier Nudie Jeans, der seine Produktion in diesem Jahr komplett auf Bio-Baumwolle umgestellt hat. Daneben finden kleinere Firmen Platz wie die Gebrüder Stitch, die in Wien Maß-Jeans aus Bio-Baumwolle produzieren oder die niederländische Firma Kings of Indigo (K.O.I.). Deren Chef Tony Tonnaer stand lange Zeit hinter der Marke Kuyichi und setzt mit K.O.I. nun vorrangig auf recycelte Baumwolle.

Auf dem Weg zur Drei-Liter-Jeans

Starmanns nimmt nur Marken in seinen Good Jeans Guide auf, die ihre Hosen überwiegend aus Biobaumwolle oder recycelten Stoffen herstellen. Auch müssen sie vertrauenswürdige Zertifikate von Organisationen vorweisen, die die Weiterverarbeitung überprüfen. Die gängigsten sind der Global Organic Textile Standard (GOTS) und das Siegel des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft (IVN).

Das Hauptziel von Starmanns und dem Netzwerkfairemode ist es, das Geschäft mit der Öko-Mode leichter verständlich zu machen. „Durch Begriffe wie ’nachhaltige‘ oder ’nachhaltigere‘ Baumwolle wird die ganze Thematik verwässert und die Kunden sind verwirrt“, sagt Starmanns. Welcher Kunde wisse schon, dass sich hinter „nachhaltiger“ in diesem Zusammenhang eine Form des Baumwollanbaus verbergen kann, die den Einsatz von Pestiziden lediglich versucht zu reduzieren, während beim Anbau von zertifizierter Bio-Baumwolle keinerlei Chemikalien zum Einsatz kommen?

In einer idealen Welt, sagt Starmanns, würden Modeunternehmen auf nachhaltigere Baumwolle als Zwischenschritt setzen, aber erst dann mit ihren Bemühungen werben, wenn sie mit Biobaumwolle arbeiten und auch bei der Weiterverarbeitung auf korrekte Standards achten. „Es gibt Marken, die verbrauchen drei Liter Wasser beim Waschen einer Jeans, weil sie mit einem Recycling-System arbeiten. Bei anderen liegt der Verbrauch bei mindestens dem Zehnfachen.“ Dass sich in absehbarer Zeit die Drei-Liter-Jeans durchsetzt, sieht Starmanns nicht, denn: „Die Masse kauft billig.“ Wer jedoch bereit ist, für eine sauber hergestellte Jeans zumindest 100 Euro auszugeben, der wird bei den Herstellern im Good Jeans Guide sicher fündig.

DIE GRÜNEN UNTER DEN BLUE-JEANS-MACHERN
Nudie Jeans
Die schwedische Jeans-Marke ist schon lange gefragt. Seitdem sie ausschließlich Bio-Baumwolle verwendet und ihre Kunden aufruft, kaputte Jeans zurückzubringen, ist sie noch etwas gefragter.

Kuyichi
Die Niederländer waren die ersten, die bewiesen, dass Öko-Jeans auch cool aussehen können. Die Hosen des im Jahr 2000 gegründeten Labels kosten zwischen 100 und 165 Euro.

Sey
Von Skinny bis Schlag: Die modischen Jeans von Sey kosten 130 bis 170 Euro und sind aus 100 Prozent GOTS-zertifizierter Biobaumwolle.

Gebrüder Stitch
In der Wiener Manufaktur der Gebrüder Stitch kann man sich für 240 bis 500 Euro Maßjeans aus Biobaumwolle fertigen lassen. Standardgrößen gibt es auch online.

Pearls of Laja
Die Philosophie der deutschen Jeansmarke für Frauen: „Wundervolle Kurven in jeder Größe.“ Zwischen 150 und 200 Euro kosten die Hosen, bei denen ausschließlich GOTS-zertifizierte Biobaumwolle zum Einsatz kommt.

Trousers London
Vielleicht die hippste Marke, die der Öko-Jeans-Markt gerade so zu bieten hat: Trousers London ist ein britisches Unternehmen, das für die Indigo-Jeans (ab 150 Euro) Bio- und Recycling-Materialien verwendet.

Zeit Online | September 2012
Foto: Nudie Jeans