Hamburger Edelfedern
Januar 2015 | Lufthansa Exclusive: Das Traditionsunternehmen Montblanc vermuten viele in den französischen Alpen, doch die Tinte fließt an der Elbe
Wir schreiben den ganzen Tag: E-Mails, Briefe, Notizen. Dazu tippen wir auf Displays und Tastaturen – im digitalen Zeitalter schreibt kaum jemand mehr mit der Hand, schon gar nicht mit Tinte. Wer also kauft teure Füllfederhalter? „Menschen auf der ganzen Welt“, sagt Frank Derlien, Leiter der Federmanufaktur Montblanc. Das Unternehmen im Hamburger Stadtteil
Lurup ist Weltmarktführer für Luxusschreibwaren. „In Europa werden Füllfederhalter vor allem für das Unterzeichnen wichtiger Verträge genutzt“, so Derlien. „Doch in Asien beispielsweise haben die Menschen einen ganz anderen Bezug zu Handgeschriebenem, in einigen Ländern ist Kalligrafie sogar Pflichtfach in der Schule.“ In der Schleifwerkstatt zeigt er unterschiedliche Federformate: „Wenn die Chinesen Mandarin schreiben, brauchen sie Federn so fein wie Nadeln.“ Für Signaturen nimmt man breitere: „Das ergibt das imposantere Schriftbild.“ Ausprobiert werden alle Federn nebenan, und zwar von Kathrin Bechtold.
Die Spezialistin hat es mit sämtlichen Buchstaben, Ziffern und Satzzeichen versucht. Sie probierte es mit Wörtern wie „Hamburg“, die mal nach oben, mal nach unten „über das Papier tanzen“. Bewährt hat sich am Ende jedoch immer nur die Acht. Nicht als Wort, sondern als Ziffer: 8. „Sie ist perfekt“, sagt Bechtold. Eine Schleife der Unendlichkeit.
In der Montblanc-Zentrale wird nicht nur jede der weltweit vertriebenen Goldfedern ausgestanzt, geschweißt und geschliffen, sondern auch jeder Korpus gefertigt. Bevor alle Einzelteile zusammengesetzt, poliert, verpackt und versandt werden, kommen Bechtold und ihre Achten ins Spiel. Der Raum, in dem sie sitzt, ist schallisoliert. Hier prüft sie, ob die Federn vom ersten Ansetzen an einwandfrei schreiben. Die Tinte darf nicht abreißen, egal wie schwungvoll oder mit wie viel Druck sie die Feder über das Papier gleiten lässt. „Ich teste jeden möglichen Neigungswinkel. Hakt oder kratzt die Feder irgendwo, höre oder spüre ich das sofort.“
Ein echter Montblanc-Füllfederhalter darf keine widerspenstigen Geräusche machen, niemals. Wenn die Welt zuschaut, wie Fürst Albert und Charlène von Monaco mit einem juwelenbesetzten Unikat, das eigens für ihre Hochzeit gefertigt worden ist, die Unterschrift unter ihren Ehevertrag setzen, muss die Tinte fließen – „alles andere wäre einfach nur grausam“, sagt Bechtold.
Die Traditionsfirma, benannt nach dem französischen Berg, stammt vom flachen Land. Vor 108 Jahren vom Schreibwarenhändler Johannes Voß gegründet, legte das Unternehmen mit dem nicht klecksenden „Sicherheitsfüllfederhalter“ einen Senkrechtstart hin. Montblanc steht heute für den Gipfel der Tintenfüllerkultur, den das Unternehmen von Anfang an erreichen wollte.
Bereits Mitte der neunziger Jahre bereitete sich das Unternehmen auf die Digitalisierung vor – und auf drohende Absatzverluste. Das Sortiment wurde um Uhren, Schmuck und Parfüm erweitert. Gleichzeitig gestaltete man das Schreibgeräte-Portfolio mit limitierten Editionen und Sammlerkollektionen noch exklusiver.
2011 folgte der „Bespoke Nib“-Service: Für die maßgeschneiderten Federn wertet ein Computer die Schreibgewohnheiten des Kunden aus. „Hat jemand keine besonders hohe Schreibkraft, wird die Feder verstärkt, damit der Tintenfluss nicht abreißt“, erklärt Derlien. Rund 1000 Mitarbeiter strömen jeden Tag in den Neubaukomplex in Hamburg Lurup.
„Zu uns kommt man, um zu bleiben“, sagt Derlien. Das gilt auch für die Kundschaft. In der Hauptzentrale wurde ein eigener VIP-Room eingerichtet. Denn wenn prominente Montblanc-Fans einen neuen Luxusfüllfederhalter benötigen, schauen sie gern mal persönlich in der Zentrale vorbei und schreiben. Mit Tinte. Die Ziffer Acht.
Januar 2015 | Lufthansa Exclusive