Der Trolley denkt mit
Lufthansa Exclusive: Alle kennen, viele lieben die Aluminiumkoffer des Kölner Unternehmens Rimowa. Jetzt hat die Marke das erste Gepäckstück gebaut, das sich per Smartphone-App für den nächsten Flug einchecken lässt
Von einer „richtig guten Idee“ sprach man bei Rimowa zuletzt vor 16 Jahren. Damals war Firmenchef Dieter Morszeck durch Zufall auf das Material Polycarbonat gestoßen. Ein extrem leichter und robuster Kunststoff, der vor allem in der Flugzeug und Automobilbranche verwendet wird. Morszeck fragte sich, ob dieses Polycarbonat wohl auch für seine Koffer geeignet wäre. Zusammen mit seinen Mitarbeitern testete er das Material: Wie kleine Kinder sprangen sie darauf herum, je heftiger die Sprünge, desto besser. Und staunten und freuten sich: Der Kunststoff hielt.
Seitdem gibt es die Koffer mit den Rillen nicht mehr nur aus Aluminium, sondern auch aus dem günstigeren Polycarbonat. Und seitdem wächst Rimowa. Allein in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres stieg der Umsatz im Vergleich zu 2014 noch einmal um 33 Prozent. Im gesamten Jahr 2014 setzte Rimowa 275 Millionen Euro um. Mittlerweile eröffnen neue Shops beinahe im Zwei-Wochen-Rhythmus. War das Unternehmen im Frühjahr 2015 noch mit 115 eigenen Geschäften weltweit vertreten, stieg diese Zahl bis zum Ende des Jahres auf 135. „Polycarbonat war die beste Idee meines Lebens“, sagt Dieter Morszeck, „es war eine Revolution.“ Nun fällt dieses große Wort in der Firmenzentrale am Stadtrand von Köln wieder häufiger: Revolution. Der 1953 geborene Morszeck verwendet es fast ständig, wenn er von der neuen „richtig guten Idee“ erzählt, die seit Kurzem auf dem Markt und auch im Lufthansa WorldShop erhältlich ist. Denn Rimowa-Koffer gibt es jetzt auch mit Electronic Tag System. Per Smartphone-App und Bluetooth lässt sich der Koffer von jedem beliebigen Ort aus einchecken. Zunächst können ausschließlich Lufthansa Kunden diesen Koffer am Flughafen an einer speziellen Drop-off-Station abgeben und sich so das Warten vor den Schaltern ersparen. Während Morszeck davon erzählt, blickt er einen mit großen blauen Augen intensiv an, als wolle er absolut sichergehen, dass sein Gesprächspartner richtig einschätzt, worum es hier geht. „Das ist der erste Koffer, der kommunizieren kann“, sagt er, „ein neuer Anfang, ein Meilenstein.“
Mit Meilensteinen hat man Erfahrung bei Rimowa. Den ersten setzte Dieter Morszecks Großvater mit der Gründung des Unternehmens 1898. Er fertigte elegante Gepäckstücke aus Holz und überzog sie mit Leder. Doch sie blieben anfällig bei Feuchtigkeit und Hitze. 1937 hatte Richard Morszeck, Dieters Vater, die Idee, Koffer aus robustem Aluminium herzustellen. Nachdem bei einem Feuer gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die gesamte Firma abgebrannt war, bis auf zwei Paletten Aluminium, war klar, dass man damit weitermachen musste. Doch Aluminium war auch das wenig geliebte Material der Trümmerzeit ab 1945. Die Menschen wollten lieber mit Prunk und Glanz zu neuen Zeiten aufbrechen, als durch Aluminium an Provisorien, Wellblechhütten und Not erinnert zu werden. Dass Aluminiumplatten, zu einem Koffer mit Rillen geformt, einmal zum internationalen Statussymbol avancieren, dass Prominente von der Fußballnationalmannschaft bis zu Hollywood-Stars damit reisen würden, war damals schlicht unvorstellbar.
Die Kriminalfilme der 60er-Jahre waren ein erster Schritt zum Erfolg. Denn darin wurden regelmäßig spektakuläre Überfälle gezeigt, und zum Transport der Beute dienten oft Aluminiumkoffer. Später begannen die Japaner, sich für das schlichte Rimowa-Design „Made in Germany“ zu begeistern. Und dann kam Dieter Morszeck. Seit 44 Jahren ist er im Unternehmen, seit 35 Jahren leitet er es. Er ist ein Tüftler, ein Technik-Freak, der bereits als Jugendlicher zwei Jahre lang seine Freizeit dazu nutzte, den ersten wasserdichten Kamerakoffer zu entwickeln. Unter seiner Leitung ist auch das patentierte kugelgelagerte Multiwheel-System entstanden. „Bei uns geht es immer um die eine Frage“, sagt Morszeck, „wie verbessern wir das Produkt?“
Mit dieser Philosophie machte Dieter Morszeck aus Rimowa allmählich eine Luxusmarke mit globaler Strahlkraft. Morszeck liebt gute Ideen, und er kann es sich leisten, die besten davon auch zu verwirklichen. Einst träumte er von einer Karriere im Cockpit am Himmel, heute ist er leidenschaftlicher Hobbypilot, beim Stichwort Fliegen gerät er in ungebremstes Schwärmen. Gerade erst hat er sich den Traum erfüllt, eine Junkers F13 nachbauen zu lassen und die Rimowa Flugzeugwerke AG zu gründen. Das erste Gesamtmetall-Verkehrsflugzeug der Welt diente seinem Vater zur Inspiration, als er die ersten Aluminiumkoffer entwarf. Dieses Frühjahr wird die Rimowa F13 erstmals abheben, wieder „eine Sensation“, wie Morszeck stolz feststellt.
Als Airbus vor drei Jahren mit der Idee an ihn herantrat, den ersten „intelligenten“ Koffer zu bauen, war er sofort überzeugt. In der Kreativabteilung des Flugzeugherstellers wurde viel über das Fliegen der Zukunft diskutiert: Was passiert, sollten Rohstoffe knapp werden? Was fehlt schon heute, in Zeiten, da nicht nur die Passagierzahlen weltweit massiv steigen, sondern auch die damit verbundenen Wartezeiten an Flughäfen? Zwei Jahre lang feilte Rimowa gemeinsam mit Airbus, Lufthansa und der Telekom an der Entwicklung des Rimowa Electronic Tag, der schon vor dem Launch bei der Airline-Branchenkonferenz Future Travel Experience mit einem Innovationspreis ausgezeichnet wurde. „Das Electronic Tag ist ein erster Schritt“, sagt Dieter Morszeck voller Vorfreude, „jetzt wird ganz viel möglich.“