Franziska Klün

Zu sexy für Intelligenz

September 2008 | zitty: Das Pop-Wunder Katy Perry inszeniert sich als bisexuelle Skandalnudel.

In aufreizendem Goldglitzerkleidchen räkelt sich Katy Perry auf der Satinbettwäsche, im Arm hält sie ein Kätzchen und schnurrt gleichgeschlechtliche Liebesfantasien. „I kissed a girl and I liked it“, skandiert sie, während um sie herum Frauen in Strapsen tanzen. Die 23-jährige Kalifornierin eroberte mit dem Popsong weltweit die Charts – und so manche Titelseite in der Presse. Während sich Homosexuellenvertreter beklagen, dass Perry weder lesbisch sei noch eine Frau geküsst habe, entschieden sich christliche Fundamentalisten, für das Seelenheil von Perry zu beten.

Dabei stammt Katy aus einer erzkonservativen Pfarrersfamilie. In einem Interview mit der „Daily Mail“ erklärte ihre Mutter, wie beschämend sie die Texte der Tochter fände. Vor sechs Jahren richteten sich die elterlichen Hoffnungen noch auf eine anständige Karriere – und Katys auf den musikalischen Durchbruch mit braver Gospelmusik. Als die Platte floppte, änderte sie ihre Verkaufsstrategie. Sie arbeitete mit Produzenten wie Glen Ballard (No Doubt), Greg Wells (Mika) und Dr. Luke (Avril Lavigne) zusammen, textete über sexuelle Emanzipation und konservative Ideale – und verpackte die Weisheiten in fetzigen Barbie-Pop. Katy Perry klingt wie eine Kreuzung aus Avril Lavigne und Alanis Morissette, wirkt wie eine schöne Aufmüpfige, die kein Blatt vor den Mund nimmt, ihre Plattitüden verteilt – und so bei Mädchen und Jungs Anerkennung sucht.

Denn trotz aller Lust am Anderssein soll man sie lieben. Ihr züchtiger Rock’n’Roll gibt den Takt für eine umfassende Charme-Offensive vor. Perry stilisiert sich als „everybody’s best friend“. „In den meisten Popstars kann man sich schlecht wieder erkennen, weil sie so sehr Angst haben, echt zu sein, Fehler preiszugeben und sich damit verletzbar zu machen. Ich zelebriere meine Fehler, denn sie geben uns Charakter und Tiefe“, sagt Perry und stellt unzählige Party-Freunde-Haustier-Kuschel-Schnappschüsse auf diverse Internetportale. Sie vermittelt mit der glatten Oberfläche so viel Tiefe wie ein ausgetrockneter Dorftümpel, aber zur nächsten Grillparty möchte man die süße Katy trotzdem einladen. Am besten per Telefon, dann landet man auf ihrer Hotline, auf der Perry heitere Anekdötchen aus ihrem Tourleben verrät.

Das Feld der Peinlichkeiten beackert sie auch in ihren Liedern. In einem Song erniedrigt sie beispielsweise ihren Ex-Freund und denunziert ihn als schwul. Stumpf und fröhlich trällert sie: „Ur so gay and you don’t even like boys.“ Auf dem Cover ihres Albums „One of the Boys“ posiert sie dazu in Lolita-Art, so wie Regisseur Stanley Kubrick 1962 den Flittchen-Klassiker inszenierte. Katy Perrys seichte Provokationen und Tabubrüche treffen auf ein hungriges Publikum. Man weiß nur nicht, ob das jetzt mehr über die Sängerin oder ihre Fans aussagt.

11.09.2008 | zitty
Foto: Michael Elins